Mit einer beeindruckenden Schlussfeier gingen am 12. August in London die 30. Olympischen Sommerspiele zu Ende. Während 16 Tagen wurden in 26 Sportarten insgesamt 302 Entscheidungen ausgetragen. 204 Länder waren dabei vertreten und erstmals in der olympischen Geschichte waren in allen olympischen Sportarten auch Frauen am Start. Was zudem bemerkenswert ist: Sämtliche Länder hatten auch Frauen in ihrem Aufgebot.
Es ist jeweils ein Zusammenkommen der ganzen Welt: Unterschiedlicher Kulturen, unterschiedlicher Religionen, von Menschen aller Hautfarben. Vermutlich ist es das völkerverbindendste Ereignis überhaupt.
Grossbritannien und London zeigte sich dabei von seiner besten Seite: Zehntausende von Volunteers sorgten sich stets freundlich für das Wohl von Zuschauern und Athleten, die Logistik funktionierte prächtig und in den Stadien herrschte eine atemberaubende Atmosphäre. Selbst das Wetter spielte mit.
Für die meisten der teilnehmenden Athletinnen und Athleten sind Olympische Spiele der absolute Höhepunkt. Es ist das Ziel auf das jahrelang hingearbeitet wird. Der ganze Trainingsaufbau ist danach ausgerichtet am Tag X das Optimum abrufen zu können. Den einen gelingt dies und sie erzielen ihre persönliche Bestleistung, andere bleiben jedoch weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Äusserst erfolgreich verliefen die Spiele für das Gastgeberland. Grossbritannien belegte im Medaillenspiegel hinter den USA und China mit insgesamt 65 Medaillen (davon 29 in Gold) den dritten Rang und übertraf damit die eigenen hohen Erwartungen. Nachdem die ersten Medaillen eingefahren waren, brach im ganzen Land eine riesige Euphorie aus und es schien, als ob zahlreiche britische Sportlerinnen und Sportler regelrecht beflügelt wurden und so zu Höchstleistungen aufliefen. Das "Team GB" war in aller Munde. Sicherlich ist ein Teil des Erfolgs damit zu erklären, dass der Staat im Hinblick auf die Spiele im eigenen Land in den letzten Jahren viel Geld in den Sport investierte, um den Athleten günstige Voraussetzungen zu schaffen. Diese Voraussetzungen sind die Basis für den Erfolg, doch ob die Sportler dann auch ihr Potential ausschöpfen können, steht auf einem anderen Papier...
"Die Briten haben den Heimvorteil genutzt" - diese Aussage hörte und las man oft. Doch einen Wettkampf vor heimischer Kulisse austragen zu können, führt nicht automatisch zu einer guten Leistung. Auch nicht, wenn das Publikum derart wohlwollend ist, wie das britische und seine Athleten bedingungslos unterstützt. Es gibt Athleten, die aus dieser Unterstützung Kraft schöpfen können, bei anderen passiert jedoch genau das Gegenteil: Sie verkrampfen und sind der Situation nervlich nicht gewachsen, wenn sie bspw. das Olympia-Stadion vor 80'000 Zuschauern betreten. Die Kulisse kann also beflügeln oder lähmen.
Eine Sportlerin, welche diese Herausforderung glänzend gemeistert hat, ist die britische Siebenkämpferin Jessica Ennis. Die grazile Ennis galt als Topfavoritin und war gewissermassen das Gesicht der Spiele. Keine andere Sportlerin war auf den Plakaten derart oft zu sehen und lächelte einem auf den berühmten Londoner Bussen entgegen. Über Ennis wurde im Vorfeld laufend berichtet. Dies kann belastend wirken und Druck erzeugen, doch Ennis konnte damit meisterhaft umgehen.
Vor dem Wettkampf äusserste sich Ennis folgendermassen:
"Natürlich verspüre ich diesen Druck. Ich verstehe auch, dass die Öffentlichkeit einem schon die Goldmedaille um den Hals hängt. Aber ich muss mich davon frei machen und fokussiert bleiben." Und voller Zuversicht fügte sie hinzu: "Alles läuft nach Plan, ich bin bereit. Es kann losgehen."
Und wie es losging - in der ersten Disziplin, dem 110m Hürdenlauf, stellte sie bereits die Weichen für ihre Goldmedaille. Keine Spur von Anfangsnervosität, von Unsicherheit. Mit 12,54 Sekunden lief sie eine neue Weltbestzeit innerhalb des Siebenkampfs. Der Auftakt war bravourös geglückt und Ennis sollte in der Folge nicht mehr gestoppt werden. Mit 6955 Punkten erreichte sie eine neue persönliche Bestmarke und gewann den Wettkampf überlegen. Als sie später erneut zum Thema "Druck" angesprochen wurde, entgegnete sie:
„Es war ein schöner Druck“.